Mann vor hellblauem Hintergrund hält sich schmerzerfüllt den Bauch

Ursachen für Reizdarm: Ein umfassender Blick

Das Reizdarmsyndrom (RDS) stellt eine der häufigsten funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen dar und beeinträchtigt die Lebensqualität von Millionen Menschen weltweit. Die Erforschung der Ursachen ist entscheidend, um effektive Behandlungsmethoden zu entwickeln und Betroffenen eine Linderung ihrer Symptome zu ermöglichen.

Was ist das Reizdarmsyndrom?

RDS ist eine funktionelle Verdauungsstörung, charakterisiert durch Symptome wie Bauchschmerzen, Blähungen sowie Veränderungen in der Stuhlfrequenz oder -beschaffenheit, ohne dass sichtbare Entzündungen oder Schäden im Verdauungstrakt vorliegen.

Im Vergleich zu anderen gastrointestinalen Erkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa zeigt RDS keine offensichtliche Veränderungen im Darm, was die Diagnose und Behandlung komplex macht.

Hauptursachen für Reizdarm

Bei der Entstehung von Reizdarm gibt es bisher noch keine sicheren Aussagen, was ausschließlich für die Erkrankung verantwortlich ist. Oft sind es mehrere Faktoren die im Zusammenspiel zu Reizdarm Symptomen führen. Viele der möglichen Ursachen für die Entstehung von Reizdarm, gelten auch als Auslöser für verstärkte Symptom Schübe und können direkt von uns beeinflusst werden. Dabei unterscheiden wir zwischen äußerlichen Faktoren und innerlichen Veränderungen mit Reizdarm Symptomen als Folge:

Äußerliche FaktorenInnerliche Veränderungen
Umwelt & LebensstilGestörte Darmperistaltik
psychische Belastung, StressLeaky Gut & Unverträglichkeiten
ErnährungDysbiose der Darmflora
BewegungVerändertes Stoffwechselprofil
Genetische VeranlagungDarmnervensystem (Darm-Hirn-Achse)
Mann hat Hände am Bauch, schmerzerfüllt, vor grünen Landschaft

Äußerliche Ursachen für Reizdarmsyndrom

1. Umwelt & Lebensstil

Umweltfaktoren und der persönliche Lebensstil, einschließlich der Ernährungsgewohnheiten, des Stresslevels und des Ausmaßes an körperlicher Aktivität, spielen eine bedeutende Rolle bei der Entstehung des Reizdarmsyndroms (RDS). Schädliche Umwelteinflüsse und ein ungesunder Lebensstil können die Darmgesundheit negativ beeinflussen, indem sie Entzündungen fördern, die Darmflora stören und die Darmpermeabilität (Durchlässigkeit) erhöhen.

Beispielsweise kann der Konsum verarbeiteter Lebensmittel, die reich an Fett und Zucker sind, aber arm an Ballaststoffen, die Darmmotilität (Bewegung) beeinträchtigen und zu Symptomen wie Blähungen, Durchfall oder Verstopfung führen.

Psychischer Stress und emotionale Belastungen haben einen direkten Einfluss auf die Darmfunktionen durch die Darm-Hirn-Achse, eine bidirektionale Kommunikations zwischen Darm und Gehirn. Stress kann die Freisetzung von Stresshormonen auslösen, die die Darmmotilität und -sekretion beeinflussen, was zu einer gesteigerten Empfindlichkeit und abnormalen Darmbewegungen führt.

Diese Veränderungen können die Symptome des RDS, wie Bauchschmerzen, Durchfall und Verstopfung, verstärken oder auslösen. Stressmanagement und Entspannungstechniken sind daher oft ein wichtiger Bestandteil der RDS-Behandlung.

Die Ernährung spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung und dem Management von RDS. Bestimmte Lebensmittel und Ernährungsweisen können die Darmgesundheit direkt beeinflussen. Nahrungsmittel, die schwer verdauliche Kohlenhydrate (FODMAPs), Gluten oder Laktose enthalten, können bei manchen Menschen Verdauungsbeschwerden auslösen.

Eine unausgewogene Ernährung, die arm an Ballaststoffen ist, kann ebenfalls Verdauungsprobleme wie Verstopfung begünstigen. Die Anpassung der Ernährung, etwa durch Reduzierung von FODMAPs oder die Erhöhung der Ballaststoffaufnahme, kann helfen, die Symptome zu lindern.

Regelmäßige körperliche Aktivität trägt zur Aufrechterhaltung einer gesunden Darmfunktion bei und kann die Symptome des RDS positiv beeinflussen. Bewegung verbessert die Darmmotilität, was bei der Vorbeugung von Verstopfung hilfreich sein kann.

Zudem hat regelmäßige Bewegung einen stressreduzierenden Effekt, der über die Darm-Hirn-Achse indirekt auch die Darmgesundheit fördert. Ein Mangel an Bewegung hingegen kann zu einer Verschlechterung der RDS-Symptome führen.

Forschungen deuten darauf hin, dass genetische Faktoren bei der Entwicklung von RDS eine Rolle spielen können. Personen mit einer Familienanamnese von RDS oder anderen funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen haben ein erhöhtes Risiko, selbst Symptome zu entwickeln. Dies legt nahe, dass genetische Prädispositionen die Empfindlichkeit des Darms gegenüber verschiedenen Auslösern, wie Stress oder bestimmten Nahrungsmitteln, beeinflussen können.

Die genaue Rolle genetischer Faktoren bei RDS ist noch nicht vollständig verstanden, und weitere Forschung ist notwendig, um die Zusammenhänge zu klären.

Innerliche Veränderungen bei Reizdarmsyndrom

1. Gestörte Darmperistaltik

Bei einem Reizdarmsyndrom ist die natürliche Darmbewegung so gestört, dass die Beförderung der verdauten Nahrung nicht optimal abläuft. 

Auch als Darmperistaltik oder Motilität bezeichnet, wird die Darmbewegung über ein eigenes Nervensystem in der Darmwand gesteuert

Gefördert durch den Botenstoff Serotonin, reagiert das Darmnervensystem sobald Nahrung in den Darm gelangt und die Wand dehnt: Die Darmmuskulatur wird angeregt sich im Wechsel anzuspannen und zu entspannen.

Bei einem Reizdarm werden falsche Signale vom Nervensystem an die Muskulatur im Darm gesendet, was diese Folgen haben kann: 

  • Bewegt sich die Muskulatur zu schnell, ist der Nahrungstransport zu schnell und es kommt zu Durchfall.
  • Bewegt sich die Muskulatur zu langsam entstehen Verstopfungen. 
  • Spannt die Muskulatur zu stark bzw entspannt zu wenig entstehen Krämpfe.
Frau hält Bauch vor Schmerzen

2. Leaky Gut und Unverträglichkeiten 

Die Zellen in der Darmwand sind in der Regel durch “tight junction” eng miteinander verbunden. Diese Art von Brücken verhindern, dass Fremdstoffe und Erreger die Darmbarriere durchdringen können. 

Bei Reizdarmbetroffenen sind weniger dieser Brücken vorhanden und die Darmbarriere geschwächt. Toxine oder Nahrungsteilchen gelangen so in den Blutkreislauf und können Entzündungen oder Unverträglichkeitssymptome auslösen. Man spricht dann von einem Leaky Gut, bzw. löchrigem Darm.

3. Dysbiose der Darmflora 

Die Darmflora besteht bei gesunden Menschen größtenteils aus gesundheitsförderlichen Bakterien. Sie helfen dabei die Nahrung zu zersetzen und sind Teil unseres Immunsystems. 

Bei Reizdarm wird oft eine Dysbiose der Darmflora diagnostiziert, was ein Ungleichgewicht zwischen gutartigen und pathogenen Keimen bedeutet. Dies kann die Darmfunktion stark beeinträchtigen und zu starker Gasbildung führen. Das Ungleichgewicht des Mikrobioms im Darm kann somit die Symptome bei Reizdarm verstärken. Gleichzeitig ist die Aufnahme von wichtigen Mikronährstoffen geschwächt.

Mann sitzt bei Therapeut, der in ein Notizbuch schreibt

3. Verändertes Stoffwechselprofil 

Neben dem bereits erwähnten Serotonin, gibt es weitere Neurotransmitter und Enzyme, die für die Ausprägung von Reizdarm Symptomen mitverantwortlich sein können. Besonders von Bedeutung sind Histamin, Tryptophan und GABA (y-Aminobuttersäure).

Einer aktuellen Studie zufolge, zeigten 85% der teilnehmenden Reizdarmpatient*innen Veränderungen dieser Stoffwechselprodukte und damit einhergehende Symptomatiken. In der folgenden Tabelle kannst du nachlesen, welche Auswirkungen Mangel oder Überschuss der verschiedenen Stoffe haben.

Serotonin MangelVerstopfung, Bauchschmerzen
Serotonin ÜberschussDiarrhoe, Übelkeit
Histamin ÜberschüssDiarrhoe, Bauchschmerzen, Blähungen. Krämpfe
Tryptophan MangelMalabsorption, Entzündungen, Bauchschmerzen, Verstopfung
Gaba Mangelviszerale Hypersensitivität (hohe Schmerzempfindlichkeit), Krämpfe
Frau liegt und hält sich Kopf und Bauch mit den Händen

5. Darm-Hirn-Achse und Darmnervensystem

Die Darm-Hirn-Achse bezieht sich auf die Kommunikation zwischen dem Verdauungstrakt und dem Gehirn in zwei Richtungen. Diese Verbindung ermöglicht es dem Gehirn, Einfluss auf die Darmfunktionen zu nehmen, und umgekehrt kann der Zustand des Darms die Stimmung und das psychologische Wohlbefinden beeinflussen.

Das Darmnervensystem, oft als „Bauchhirn“ bezeichnet, besteht aus einem umfangreichen Netzwerk von Neuronen, die die Darmwände durchziehen. Es steuert die Peristaltik, also die Bewegungen des Darms, die den Nahrungsbrei durch den Verdauungstrakt transportieren. 

Die Interaktion zwischen der Darm-Hirn-Achse und dem Darmnervensystem gilt als wesentliche Ursache für RDS, da sie sowohl die körperlichen als auch die psychischen Aspekte der Erkrankung beeinflusst. Die Forschung in diesem Bereich eröffnet neue Perspektiven für das Verständnis und die Behandlung von RDS, indem sie die Bedeutung der Wechselwirkung zwischen Gehirn, Darm und psychologischen Faktoren hervorhebt.

Frau hält sich linke Bauchseite

Magen-Darm-Infektion als Auslöser für Reizdarm

Eine Magen-Darm-Infektion kann als Auslöser für das Reizdarmsyndrom (RDS) fungieren, ein Phänomen, das als postinfektiöses Reizdarmsyndrom (PI-RDS) bekannt ist. Nach einer akuten Infektion des Verdauungstrakts, verursacht durch Viren, Bakterien oder Parasiten, entwickeln manche Personen RDS-Symptome, obwohl die ursprüngliche Infektion abgeklungen ist. Dieser Zustand kann aus mehreren Gründen eintreten:

Eine Infektion kann eine starke entzündliche Reaktion im Darm hervorrufen. Selbst nachdem die Infektion abgeheilt ist, können diese Entzündungsprozesse weiterhin die Darmfunktion beeinträchtigen, was zu einer anhaltenden Überempfindlichkeit und Funktionsstörungen führt.

Infektionen können das Gleichgewicht der Mikroorganismen im Darm stören, was zu einer Dysbiose führt. Eine gesunde und ausgewogene Darmflora ist entscheidend für die Verdauung und das Immunsystem. Veränderungen in dieser fein abgestimmten mikrobiellen Gemeinschaft können Verdauungsbeschwerden und Symptome eines RDS auslösen.

Infektionen können direkte Schäden am Darmgewebe und den Nerven verursachen, die für die Regulierung der Darmbewegungen verantwortlich sind. Dies kann zu einer gestörten Darmmotilität führen, die charakteristisch für RDS ist.

Manche Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass eine Magen-Darm-Infektion die Permeabilität (Durchlässigkeit) des Darms erhöhen kann, ein Zustand oft beschrieben als „leaky gut“. Dies ermöglicht es, dass Mikroben und Toxine leichter in die Darmwand und ins Blut gelangen, was zu einer immunologischen Reaktion führt, die RDS-Symptome auslösen oder verschlimmern kann.

Forschung und Ausblick

Neueste Studien betonen die Komplexität von RDS, wobei ein multifaktorischer Ansatz für das Verständnis und die Behandlung notwendig ist. Die Erforschung der genauen Mechanismen der Darm-Hirn-Achse und der mikrobiellen Zusammensetzung des Darms steht im Fokus aktueller Studien.

Die Ursachen des Reizdarmsyndroms sind vielfältig und reichen von genetischen Prädispositionen über Lebensstilfaktoren bis hin zu psychologischen und ernährungsbedingten Einflüssen. Eine ganzheitliche Betrachtung ist entscheidend für die Entwicklung effektiver Behandlungsstrategien, die nicht nur die Symptome lindern, sondern auch auf die zugrundeliegenden Ursachen abzielen. Die kontinuierliche Forschung bietet Hoffnung auf neue Erkenntnisse und verbesserte Therapiemöglichkeiten für Betroffene.

Quellen

Bundesärztekammer

MedUni Wien

Reizdarm und Mikrobiom

Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten

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