Zwei Frauen sitzen sich gegenüber und reden

Reizdarm Erfahrung: Das Interview mit Susi von myFODMAP

Susi ist seit Jahren von einem Reizdarm betroffen und hat im Laufe dieser Zeit viel Leid erfahren. Aber nicht nur. Sie hat ihren Körper sehr gut kennen gelernt und weiß mittlerweile was ihr gut tut und was nicht. Dieses Wissen vermittelt sie mit myFODMAP nun auch anderen Betroffenen und will ihnen helfen, besser mit ihrer Eigenschaft umzugehen. Im exklusiven Interview hat Susi ihre persönliche Reizdarm Erfahrungen mit uns geteilt und diese könnt ihr nun hier nachlesen oder im Video nachschauen.

Reizdarmsyndrom & myFODMAP: der Anfang

Hallo Susi, schön, dass du da bist. Möchtest du uns kurz erzählen, was du machst und was myFODMAP ist?

Hallo, danke für die Einladung. Ich bin Susi, ich bin aus Innsbruck und blogge über Reizdarm. Mein Blog heißt myFODMAP und aus diesem Blog, den ich schon seit 2019 betreibe, ist immer mehr ein kleines Unternehmen entstanden, wo es darum geht, Menschen zu helfen, die einen Reizdarm haben bzw. Verdauungsprobleme haben.

Wie kam es denn zu dem Thema? 

Ja, ganz simpel, ich war selber Betroffene. Ganz lange, fast 10 Jahre war ich auf der Suche nach Hilfe und nach einer Lösung für meine Verdauungsprobleme. Das waren Blähungen, Durchfall, Verstopfung, unangenehmes Völlegefühl, halt diese ganze Bank an Beschwerden, die man so kennt. Und in diesen Jahren der Suche hat mir aber nie jemand wirklich helfen können.

Also kein Arzt hat eine Lösung gehabt und dann bin ich irgendwie auf diese australische Ernährungsform gestoßen, dieses low FODMAP. Und ich war am Anfang super skeptisch. Allerdings hat es nach weniger als einer Woche so gut funktioniert, dass ich wirklich zwei, drei Tage absolut keine Beschwerden hatte. Und das hatte ich nie. Also das gab es damals nicht. Und das hat mich so begeistert und ich war gleichzeitig so irritiert, dass diese Infos nirgends verfügbar waren bzw nur wenn man gezielt danach gesucht hat, auf Englisch und sehr medizinisch. Dann kam mir irgendwann der Gedanke, dass es vielleicht Menschen gibt, die ja was ähnliches haben wie ich. Damals gab es überhaupt noch nicht diesen Darm Hype, sondern da war das wirklich ein ziemlich verstecktes Thema und ich habe das einfach mal niedergeschrieben, meine Erfahrungen und so die Basics, was diese Ernährung angeht. Und dann ist dieser Blog entstanden.

Schau dir das Interview in kompletter Länge an

Wann hattest du das erste mal Reizdarm Beschwerden?

Wann die Beschwerden begonnen haben, weiß ich nicht genau, weil ich dachte wirklich lange, das ist normal. Ich dachte jeder Mensch hat dieses komische Gefühl im Bauch, diese Blähungen ab der zweiten Tageshälfte, dieses Gefühl, man möchte eigentlich nur noch nach Hause, seine Kleidung ausziehen, irgendwas Lockeres anziehen und eigentlich nichts mehr unternehmen. Auch mental ist man irgendwie erschöpft, hat irgendwie keinen Bock. Und ich dachte, das ist halt so, das ist das Leben.

Und dann in der Uni Zeit [2012] habe ich mich mal mit einer Bekannten unterhalten und da sind wir irgendwie auf das Thema gekommen. Und ich habe das geschildert, wie es mir geht und sie meinte dann, sie kennt das nicht. Und dann war ich ganz…was? okay. Das war so eben der erste Moment, wo ich mir dachte, da könnte was sein bei mir, vielleicht sollte man sich das mal anschauen. 

Für viele heißt es von einem Arzt zum nächsten. Wie war das bei dir? Gab es Fehldiagnosen? Wie lange hat es gedauert, bis die Diagnose kam?

Also dieses Ärzte-Marathon Phänomen, das kenne ich sehr gut. Ich war sicher sieben Jahre lang dabei, Ärzte aufzusuchen und nach einer Lösung zu finden. Begonnen beim Hausarzt, ganz klar der Arzt des Vertrauens, dann zu verschiedenen Internisten. Man fühlt sich sehr, sehr oft leider nach wie vor, und ich höre das auch von anderen Menschen, nicht ernst genommen. Man weiß ja auch gar nicht, wie man seine Symptome wirklich beschreiben soll. Es ist ein bisschen peinlich, es ist irgendwie unklar für einen selber, was da los ist. Und der Arzt weiß auch nicht wirklich, was tun, weil für ihn ist man oder für sie ist man eigentlich gesund.

Man macht natürlich Blutbilder, Unverträglichkeitstests, Atemtests. Und man hofft immer, und das ist ja das Abstruse, man hofft auf eine Diagnose, man hofft eigentlich krank zu sein, dass man ernst genommen wird und dass es der Ansatz ist für eine Lösung, für eine Behandlung. Und immer hieß es alles super, alles perfekt.

Und dann geht man natürlich einen Schritt weiter, macht, bei mir waren es zwei Magen Darm Spiegelungen, unfassbar unangenehm, auch immer mit dem Ergebnis es ist alles super, es ist überhaupt nichts auffällig. Mir wurde auch mal ein Antidepressivum verschrieben, weil es dann hieß, das sei mental, meine Beschwerden kommen vom Kopf und das macht ja was mit einem Menschen. Man ist müde, man ist frustriert, man ist auf Hilfe angewiesen. Und was immer man hört von Ärzten, man nimmt das gleich an wie so einen Strohhalm. Und wenn man hört, man hat mit der Psyche das Problem, weshalb man die Beschwerden hat, die körperlichen, dann ist es schon mal ein Schlag ins Gesicht. Um dann festzustellen ups, doch falsch, das ist noch schlimmer. Also da war schon einiges an Ärztegelaufe und Frust dabei.

Gab es einen Moment von deiner Anfangszeit, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist, der eben besonders belastend oder besonders peinlich oder irgendwie beschämend war?

Ich war und bin nach wie vor immer sehr sportlich. Also Fitness ist seit meinem sechzehnten Lebensjahr ein wesentlicher Teil meines Lebens. Und egal wie schlecht es mir im Leben gegangen ist, sei es, weil es Probleme gegeben hat oder herausfordernde Situationen, Sport hat mir immer gut getan. Und am Peak meiner Beschwerden, wo ich wirklich von früh bis spät entweder auf die Toilette musste oder einen Blähbauch hatte, Schmerzen hatte, habe ich gemerkt, dass ich auch nicht mehr zum Sport gehen möchte, weil ich das Gefühl hatte, keine Kontrolle über meinen Körper zu haben. Also ich wusste jetzt nicht, ob ich bei einer Übung dann einmal pupsen muss. Und ich habe sogar dann teilweise die Kopfhörer rausgetan, weil ich nicht mehr sicher war. Das wäre der ‘worst case’ für mich gewesen, da als “Fitnessgirly” durchs Gym zu gehen und dann einfach mal zu pupsen, ohne es zu merken. Aber das war jetzt nicht die Dramatik im Sinn von oh, da furzt mal wer, sondern eher: jetzt nimmt mir dieses Problem auch noch meine Leidenschaft zum Sport. Und das war eigentlich der Punkt, wo ich gesagt habe, wow, jetzt mache ich weiter mit meinem Ärzte-Marathon und muss mich wirklich mal wieder mehr damit auseinandersetzen und Lösungen finden.

Frau in rosa Shirt und weißer Hose hält ihre Hände an den Bauch

Stress als stärkster Trigger: Susi's Reizdarm heute

Wie gehst du heute mit dem Thema Reizdarm um?

Also nach wie vor begleitet es mich im Alltag. Ich habe lange geglaubt, dass ich beschwerdefrei sein muss, um über das Thema reden zu können, habe aber festgestellt, es geht nicht. Es gibt immer wieder Schübe, die von diversen Faktoren abhängen, aber mit jedem Mal lerne ich meinen Darm und meine Verdauung besser kennen. Das ist jetzt ganz leicht gesagt, es ist sehr schwer getan, aber es geht mir mittlerweile deutlich, deutlich besser. Und ich weiß, dass ich ganz viel steuern kann mit meiner Ernährung, mit meinem Lebensstil, mit Stress, mit Grenzen setzen, dass das ganz, ganz starke Auswirkungen auf die Beschwerden schlussendlich hat.

Wenn du sagst, es ist nicht nur Ernährung, gibt es bestimmte Auslöser, bestimmte Trigger, die bei dir Schübe verursachen?

Ja, definitiv. Also stressige Zeiten, wo ich überfordert bin, da muss gar nicht viel zu tun sein. Eher die Sache an sich, wenn mich das inhaltlich überfordert, wenn Entscheidungen getroffen werden müssen, die mir nicht leicht fallen. 

Auch, und das sage ich auch in der Community oder Followern sehr, sehr häufig, Menschen können Trigger sein. Also es gibt Menschen in jedem Leben, glaube ich, die einfach viel Energie rauben, die Stress bei jemandem auslösen, ohne dass man das aktiv oder bewusst merkt. Aber seit ich begonnen habe, sehr auf meinen Bauch zu hören und den nicht nur als Belastung wahrzunehmen, sondern auch als Signalgeber, merke ich wirklich schnell, welche Menschen in meinem Leben mir gut tun und welche nicht. Und wenn jemand mir nicht gut tut, ist es vollkommen legitim, Distanz zu diesen Leuten zu gewinnen.

Und wie ist es mit Menschen, die dir gut tun? Gehst du da von vornherein mit dem Thema rein? Hi, ich bin Susi und ich habe Reizdarm?

Hi, ich bin Susi, ich muss furzen. [Susi lacht] Also seit ich jetzt blogge, ist das kein Geheimnis mehr, aber so stelle ich mich nicht vor. Also das ist jetzt nicht der erste Satz, den ich sage, aber letztens hat jemand gesagt, das ist die Susi und die postet total viel über Durchfall. Also da stehe ich dann halt da und sage, das ist korrekt. [Susi lacht] Aber wenn ich jetzt jemanden kennenlerne, natürlich kommt recht bald die Frage: ‘Was machst du beruflich?’ Dann erledigt sich das Thema recht schnell. Ich schaue dann das Gegenüber an, wie es reagiert. Und in 95% der Fälle ist es ein Schmunzler oder wirkliches Interesse oder ‘oh, ich kenne da jemanden für den könnte es interessant sein’. Aber dass das irgendwie peinlich wäre oder auf Ablehnung stößt, ist eigentlich nicht nennenswert.

Frau sitzt auf einem Sofa und hält sich den Bauch mit zwei Händen, ihr Gesicht drückt Schmerz aus

Essen, Routine & No Gos mit Reizdarm

Wenn du jetzt mit Freunden kochst oder auch mit der Familie, es gibt ja bestimmt Lebensmittel, die du eben schon mit myFODMAP, nicht essen möchtest oder nicht solltest. Ist es schwierig, mit anderen Menschen zu kochen?

Also das ist ganz witzig. Da gibt es zwei Arten von Menschen, die sich mehr darum sorgen, dass es für mich verträglich ist, als ich selbst. Zum Beispiel brunchen mit Freunden. Da kommt immer die Frage, darfst du das essen? Was kriegst du da als Alternative? Was total schön ist. Und dann gibt es die Leute, wie zum Beispiel meine Mutter, die keine Ahnung hat, aber sie würde gern helfen oder Dinge so zubereiten, dass ich sie vertrage.  Aber eigentlich könnte sie es auch lassen, weil die wesentlichen Basics, noch nicht verstanden worden sind, Aber in beiden Fällen ist der Wille da, zu schauen, dass es mir gut geht und das ist schön. 

Wie ist es denn für dich, wenn du ins Restaurant essen gehst?

Das ist schon schwierig, gebe ich zu. Das ist für viele Betroffene eine Herausforderung. Was ich mache: ich schaue mir vorab online die Speisekarte an, einfach, dass ich schon mal ungefähr weiß, was mich dort erwartet. Wenn ich dann beispielsweise einen Salat esse, dann will ich das Dressing separat, weil ich selbst portionieren möchte. Wenn es geht, bestelle ich eigentlich alles ohne Zwiebel, egal welche Speise. Wenn es glutenfreie Alternativen gibt und die nicht €5 teurer sind und dann noch weniger in einer Portion, dann greife ich gerne auf die zurück.

Und manchmal gehe ich auch einfach ins Restaurant essen und sage mir: Passt, an diesem Abend werde ich wieder meinen Blähbauch haben und morgen auch wieder, aber ich weiß es dann. Und das ist eine ganz andere Art von Beschwerden, wenn ich weiß, woher sie sind, wenn ich sie quasi selbst herbeigeführt habe, unter Anführungszeichen, weil ich mich ja für das Essen entschieden habe. 

Das klingt auch sehr nach einer Routine, beziehungsweise, dass du Schritte machst und dann weißt, was die Konsequenz davon sein wird. Hast du bestimmte Strategien außerhalb von Restaurants, wie du deinen Tag planst? Gibt es eine Routine für dich, die dir gut tut?

Was ich gelernt habe in all den Jahren ist, dass Routinen gut sind, aber sie sollen nicht das Gefühl vermitteln, dass man alles kontrollieren kann. In meiner Vergangenheit hatte ich große Schwierigkeiten mit Essen. Also das war eine sehr, sehr schlimme Essstörung bei mir. In der Jugend ist es immer um Kontrolle gegangen. Und wann immer ich heute versuche, mein Essverhalten mittels Ernährungsplan beispielsweise zu kontrollieren, klingeln bei mir alle Alarmglocken. 

Ich glaube, es ist wichtig zu wissen, dass man sich temporäre Routinen aneignen kann. Mir tut es z.B. aktuell gut, am Abend wenig oder sogar gar nichts zu essen, dafür ausgiebig zu frühstücken und Mittag zu essen. Vor ein paar Monaten wäre das unvorstellbar gewesen, wenn ich nicht am Abend noch eine große Portion bekommen hätte. Und genau das zu sagen, es darf sich verändern und ich darf mein Verhalten entsprechend verändern und wieder herausfinden, was tut mir jetzt gerade gut. Der größte Fehler, glaube ich, den man machen kann, ist, wenn sich einmal eine Routine gut anfühlt, zu glauben, das ist jetzt für immer the way to go. Das ist problematisch.

Was geht für dich mit Reizdarm überhaupt nicht? Was sind absolute No Gos?

Ich glaube, es ist wichtig, dass man nicht die Wahrheit eines anderen Reizdarmgeplagten automatisch als seine eigene annimmt. Also wenn jetzt die Tante M sagt, sie verträgt Lebensmittel A überhaupt nicht, dass man sofort sagt, dann ist es bei mir auch so. Meine Verdauung ist höchst individuell, das Mikrobiom im Darm ist ja so einzigartig wie der Fingerabdruck. Ich muss für mich selber herausfinden, was mir gut tut und auch für mich selbst dann diese Entscheidung treffen. Und da kann mir niemand reinreden. Und das ist, glaube ich, ganz, ganz wichtig. Und auch, dass man seine Beschwerden nicht unterdrückt, geheim hält, ständig drüber lebt. Also dass man einfach immer bei allen Events dabei ist, immer happy peppy, obwohl eigentlich alle Signale vom Darm aus schreien: Rückzug, Ruhe, Regeneration. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig als Gewohnheit, die man sich aneignen sollte, da auf sich zu hören.

Füße und Beine einer Frau, die auf der Toilette sitzt

Geheimtipps und Erfahrung von Reizdarmschüben

Was tut dir mit deinem Reizdarm besonders gut? 

Also gerade im Moment ist es wirklich, dass ich gegen Abend hin weniger esse oder eigentlich gar nichts mehr esse und ein leichtes Hungergefühl verspüre und damit schlafen gehe. Ich regeneriere viel besser, ich schlafe gut und ich stehe am nächsten Tag beschwerdefrei auf und dementsprechend startet mein Tag dann auch total toll. Geht nicht immer so. Was mir auch hilft, ist wirklich auf meinen Bauch zu hören. Es gibt ja dieses Wording aufs Bauchgefühl vertrauen. Einerseits sagt einem der Bauch ja oft die Richtung, wo es hingehen soll, aber ganz oft sagt der Bauch einem auch, wo es eben nicht hingehen soll, dass man auch auf das hört. 

Dass man, wenn der Bauch Beschwerden verursacht, nicht sofort schimpft und sagt, was ist jetzt da schon wieder, sondern mal überlegt, warum könnten jetzt diese Beschwerden sein? Hat das eine andere Ursache, als dass ich gerade was gegessen habe? Wenn ich es schaffe, mit meinem Körper, dem Darm und meinem Kopf im Einklang zu sein, als Team zu agieren, dann bin ich viel, viel stärker und viel, viel vitaler in meinem Alltag, als wenn ich da ständig im Kampf bin.

Hast du einen Geheimtipp bei Reizdarm?

Das ist immer schwierig mit Geheimtipps, weil wie gesagt, das eine funktioniert bei einem, das andere funktioniert bei einem nicht. Was ich gelernt habe im Laufe der Zeit, das fand ich ganz spannend, ist das Thema Fasten. Nicht im Sinne von tagelang fasten, sondern auf dieses ständige Snacken verzichten. Ich weiß nicht, wie es anderen geht. Bei mir ist es so, das Gefühl des Hungers gibt mir sofort das Signal: Das müssen wir eliminieren. Hunger darf man nicht haben, das ist eine Gefahr. Aber eigentlich ist es auch mal gesund, einen leeren Verdauungstrakt zu haben. Er darf sich regenerieren.

Also nicht jedem leichten Hunger oder der Lust auf was sofort nachzugehen, sondern zu sagen, Aha, jetzt empfinde ich gerade dieses Gefühl und das tut mir möglicherweise sogar gut. Also nicht in Form von Diät, Kaloriendefizit, abnehmen, sondern wirklich zu sagen, es ist auch gesund, einmal nicht zu essen und mal einen leeren Bauch zu haben und sich dann auch wieder auf das Gefühl einzulassen. Wie fühlt sich der Bauch dann an? Ich glaube nämlich meistens ganz gut. 

Nimm uns doch einmal kurz mit, wenn du einen Reizdarmschub hast, wie lange dauert der ungefähr und wie läuft der ungefähr ab?

Also so ein Schub kann von 24 Stunden bis über eine Woche dauern. Also das ist ganz unterschiedlich. Es gibt auch verschiedene Arten. Ich spüre da schon verschiedene Beschwerden und kann es dann recht schnell zuordnen, ob das länger oder kürzer dauert. Das eine ist ganz sicher gekoppelt an das Thema Frau sein. Also monatlich merke ich, es hat auch lange gedauert, bis ich diesen Zusammenhang erkannt habe, dass das mit dem Menstruationszyklus enorm zusammenhängt. Und gefühlt ab dem Moment des Eisprungs bis zu den Tagen könnte ich stündlich merken, wie es mir schlechter geht, wie die Verdauung langsamer wird. Wie der Blähbauch größer wird und mit Stichtag Periode dann der Durchfall kommt und man sich denkt, was ist denn hier eigentlich los? Bis man dann versteht, das gehört einfach zusammen. Der Schub besteht trotzdem, also man hat trotzdem die Beschwerden, aber man versteht sie und kann sie dann einfacher hinnehmen Man versucht weniger auf Biegen und Brechen mit irgendwelchen Maßnahmen das zu unterbinden, sondern kann auch einfach mal sagen, okay, wir sind wieder an dieser Stage angekommen und jetzt müssen wir einfach ein bisschen Geduld haben und das Verhalten anpassen an dieses Empfinden.

Hand hält Klinke der Badezimmertür und man sieht eine Toilette im Hintergrund

Blick in die Zukunft: Männer vs. Frauen, Betroffene & die Forschung

Es heißt, dass deutlich mehr Frauen als Männer an Reizdarmsyndrom leiden. Denkst du, das ist so? Und wenn ja, warum?

Ich glaube, dass mehr Frauen die Symptome wahrnehmen, weil sie mehr auf Signale vom Körper achten und die dann deuten. Ich glaube auch, dass das Bild der Frau sehr unter Druck gerät, was das Thema Verdauungsprobleme angeht. Weil eine Frau, die ist ästhetisch, die ist sauber, eine Frau geht ja auch nicht auf die Toilette und eine Frau ist schlank. Und dieser Druck, der da aufgebaut wird auf den Bauch, ist enorm. Und wenn man dann mal einen Blähbauch hat, Zwicken hat, Schmerzen hat, einfach ein Unwohlsein in der Bauchgegend, dann suggeriert es gleich viel mehr als jetzt nur Schmerz oder Unwohlsein, sondern es geht auch gleich auf die Psyche, denke ich mir. Und ich kenne das von mir selber, das macht es dann noch schlimmer und belastender. Und ich denke auch in einer Männerrunde oder einfach in einer Runde, gilt ein Mann, der mal furzt als normal. Und eine Frau, die mal furzt, das ist eine Ausnahme und sollte so nicht sein, aber es ist nach wie vor so. Und deswegen ist es mir auch wichtig, mit myFODMAP zu enttabuisieren und das Thema einfach als normal darzustellen für Männer und für Frauen, weil es ein Menschenthema ist.

Du versuchst schon mit myFODMAP das Thema aufzuarbeiten. Hättest du Wünsche an Ärzte und Ärztinnen, an die Medizin, wie mit dem Thema umgegangen wird in Zukunft?

Also definitiv, dass die Ärzte das Thema ernster nehmen, dass Betroffene ernster genommen werden, dass sie den Betroffenen dabei helfen, die Ursache zu finden bzw. den Reizdarm zu verstehen. Das ist, glaube ich, das allererste, was Mediziner tun können. Und das Thema Verdauung, Mikrobiom, Darmgesundheit ist ja erst in den letzten 10 oder 20 Jahren, wenn überhaupt, ein bisschen ins Licht gerückt. Also die Forschung hat da noch sehr viel zu tun und Aufholbedarf. Ich glaube Mediziner sollten mehr zusammenarbeiten, ein gesamtheitlicheres Bild des Patienten erfassen und dann auch gesamtheitlich Ansätze finden, wie diesen Menschen geholfen werden kann. Das ist, glaube ich, ganz, ganz wichtig.

Wenn wir von den Medizinern auf die Betroffenen wechseln, was würdest du einer betroffenen Person raten mit Reizdarmsyndrom?

Also natürlich ist es immer abhängig von der Stage, wo man gerade ist, also wie lange sucht man schon. Ich glaube, zwei Dinge sind wichtig, aus meiner Erfahrung heraus natürlich immer gesprochen. Zum einen, ist der Reizdarm eventuell ein Zustand, den man nicht los wird. Das heißt, ständig zu versuchen, ihn loszuwerden, ist vielleicht der falsche Ansatz. Eher zu sagen, das ist eine Eigenschaft meines Körpers. Die einen haben Migräne, die anderen haben einen Haarausfall und die anderen halt einen Reizdarm. Dabei geht es dann vielmehr darum, das zu managen und damit im Alltag umgehend zu lernen und die Beschwerden zu reduzieren, nicht unbedingt loszuwerden. Ob das nämlich möglich ist, weiß ich nicht. Mit Stand heute glaube ich es nicht.

Und die zweite Sache ist, dass Betroffene ein Grundinteresse an Ernährung mitbringen müssen, weil nur dann hat man auch Freude daran, seine Ernährung zu optimieren, zu verändern, den Körper zu verstehen, wieder mal was Neues auszuprobieren. Also dieses Grundinteresse muss einfach da sein. Dann geht man auch weg von diesem Suchen nach der einen Wunderpille, hin zu: ich kümmere mich um mich und das Resultat ist, dass es mir besser geht. Und dann kommt man in diese Positivspirale, hoffentlich, dass es einem wirklich langfristig besser geht.

Nehmen wir nochmal myFODMAP. Wenn du zurückblickst, was ist dir bisher gelungen und was hast du noch vor?

Also ich glaube, was mir bisher gelungen ist, ist, mich so zu positionieren, dass ich offen über Reizdarm und Verdauungsprobleme sprechen möchte und das Thema enttabuisieren will und dass mir dadurch meine Community auch Vertrauen schenkt. In Zukunft möchte ich alles aufsagen, was ich lernen darf von der Community und daraus Dinge entwickeln, die Menschen mit Verdauungsproblemen helfen. Ich möchte mich mit Experten austauschen. Ich möchte einfach so viel wie möglich schaffen, um das Leben von Menschen mit Verdauungsproblemen zu erleichtern. Und was das sein wird, werden wir sehen. Ich hoffe jedenfalls, dass es bald und sehr cool wird.

Vielen Dank für das Gespräch.

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